Wie sag ichs meinem Kanadier

Pierre – mein Gastgeber für die nächsten beiden Nächte in Ottawa – eröffnete mir heute Nachmittag, dass am Donnerstag Nacht der Museen ist. OK, Nacht ist geprahlt und lang irgendwie auch. Aber man kann ab 17 Uhr kostenlos in die Museen und dort bis 20 Uhr bleiben. Da ich ja noch eine Story im Köcher habe, die ich unbedingt los werden will, habe ich mich ohne Umschweife für das kanadsiche Kriegsmuseum entschieden. Ich hatte die Ahnung, dass das unterhaltsam wird und – soviel vorweg – ich wurde nicht enttäuscht.

Vorweg aber noch ein Rückgriff auf Neuseeland. Wenn ihr als Deutsche/r einem Kiwi begegnet, könnt ihr sofort tiefste Dankbarkeit einfordern. Das deutsche Volk hat den Kiwis – und im Prinzip auch den Australiern, die nehmen sich da nicht viel – die zwei größten Geschenke ihrer Geschichte gemacht: den 1. und den 2. Weltkrieg. Die Erinnerung an die Weltkriege ist riesig und gipfelt im ANZAC-Day. Schlachten unter Beteiligung eigener Truppen werden komplett aus den Proportionen gehoben, wenn Kiwis der entscheidene Durchbruch an Hügel xy gelungen ist.

Das beides Abnutzungskriege waren, die durch Rohstoffe, industrielle Kraft und die Zahl der wehrfähigen Männer gewonnen wurden muss man jetzt nicht erwähnen. Eine ganz schlechte Idee ist es Kiwis oder Aussies aufzuklären, dass Sieg oder Niederlage an einem blöden Hügel, Fluß oder in Bumpelhausen für den Kriegsausgang sicher völlig irrelevant waren. Man sollte sie sich in dem Glauben sonnen lassen, dass verbündete Generäle sie als Elitetruppen ansehen.

Zum Thema Kriegsgedenken in Deutschland habe ich vor ein paar Tagen einen schönen Hintergrund über das Kriegsgedenken in der Eifel gehört.

Der illustriert sehr schön die deutsche Herangehensweise an das Thema.

Die erste spannende Frage war, wie würde das Museum das lange Nichts vor 1914 kaschieren? Mit einer umfangreichen Aufarbeitung der Fenian Raids nach 1866:

Der komplette Eingangsbereich widmet sich Überfällen irisch-amerikanischer Bekloppter auf Kanada. Das kulminierte in der „Schlacht“ von 500 Iren gegen 600 Kanadier. Ich habe aber Zweifel an dem Terminus Schlacht und der Tatsache das irgendwer mit mehr als nur einer Zwille bewaffnet war. Die Statistik führt 6 tote Iren und 7 tote Kanadier auf.

Als ich meine Lachtränen getrocknet hatte, wurde es ernst, denn als erstes gab es einen umfangreichen Rückblick auf den „South African War“, der bei uns als 2. Burenkrieg firmiert.

Das Ganze bleibt trotz der Größe – höflich gesagt – arg undifferenziert. Mit dem anfänglichen Hinweis, dass Kanada außenpolitisch unselbständig war und einer Schlussnotiz, dass 28.000 Zivilisten umkamen ist es getan. Das die 7.000 kanadischen Soldaten ganz klar auf der Seite des Aggressor kämpften, der einen knallharten Annexionskrieg führte und in dessen Verlauf auch die ersten Konzentrationslager entstanden wird nicht erwähnt.

Natürlich, die Buren waren beileibe keine netten Menschen, sondern eiskalte Rassisten und Sklavenhalter. Dazu war das britische Vorgehen völlig zeittypisch und der Tod der internierten Zivilisten nicht beabsichtigt. Die Umstände des Krieges komplett auszublenden ist für ein Museum völlig ungenügend. Zumal es mit der schlampigen Aufarbeitung der Weltkriege weitergeht. Schuldfrage des ersten Weltkrieges? Was interessiert uns das, wir sind nur Historiker! Opfer von Bombenangriffen auf Städte? Die Verluste der Bomberbesatzungen war sehr hoch!

Jetzt könnt Ihr natürlich – zu Recht – sagen, dass ich mal in ein amerikanischen Museum gehen soll. Ja, aber manchmal reicht es nicht, wenn man zumindest einen findet, der noch dümmer ist als man selbst. Dies gilt allemal, wenn man der Meinung ist, dass man besser ist als seine südlichen Nachbarn.

Wie erkläre ich jetzt Pierre morgen früh, dass wenn wir in Deutschland dieses Museum bauen würden, am nächsten Tag nicht nur der Museumsdirektor, sondern der Kulturminister und wahrscheinlich die gesamte Bundesregierung – zu Recht – zurücktreten müssten?

8 Kommentare bei „Wie sag ichs meinem Kanadier“

  1. Haustiers dickes Weib sagt: Antworten

    …und während des langen Nichts vor 1914 wurden in der Region ja durchaus die Waffen an der ursprünglichen Bevölkerung erprobt, aber der selbstkritische Blick schien ja nicht so gefragt zu sein…

    1. Das sehen die nicht als Krieg. Gleichwohl gibt es dafür ein grundlegendes Schuldbewusstsein, aber halt nicht in dem Museum. Das Zivilisationsmuseum soll diesbezüglich recht gut sein, das hebe ich mir aber noch auf, wenn ich mit Mutti hier bin.

      1. Haustiers dickes Weib sagt: Antworten

        Mit Mutti?

        1. fährst Du ohne Mutti in den Urlaub?

          1. Haustiers dickes Weib sagt:

            Ja, seitdem ich 14 bin.

          2. Deine arme Mutti. Kein Wunder, dass die so gemein zu netten Menschen ist…

  2. Pierre wird es nicht verstehen, die Mentalität jenseits des Atlantiks ist eine komplett andere!

    1. Unterschätze die Kanadier nicht. Wenn man besonders den frankophonen Kanadiern in Aussicht stellt sich vom Reich des Bösen abheben zu können, wird das Hirn hochaktiv.

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