Come from away

Der letzte Tag in St. Johns war in etwa wie die ersten beiden Tage:

Ein schöner Blick vom Signal Hill auf den Hafen und die dahinterliegende Stadt. Um präszise zu sein gab es diese schönes Aussicht gestern nicht. Da war der Nebel dicker. Heute war es ziemlich zugig, weshalb die Sicht besser war und der Regen eher von der Seite kam…

Also mache ich heute mal eher ein Metathema. Es ist ja schließlich nach gut vier Monaten mein letzter Tag in Kanada. Ich sitze schon am Flughafen.

Die meisten Menschen assoziieren das Reiseland und Reiseerfolg mit dem Abenteuer- und Erlebniswert: „Wer in Nepal den Mt. Everest erklimmt erlebt mehr, als derjenige, der zum Kaffeetrinken mit Tante Hildegard nach Hildesheim fährt.“ Das ist ziemlich naiv. Wer per Anhalter nach Hildesheim fährt kann auf der Reise mehr erleben, als die alte Achievement-Hure, die sich von Sherpas den Mt. Everest hochtragen lässt.

Ich musste heute nachmittag meinen Mietwagen zurückgeben, allerdings nicht am Flughafen. Also vorher das Gepäck einchecken und dann zur Verleihstation? Nein! Gepäck kann erst 3 Stunden vor Abflug abgegeben werden und die Gepäckaufbewahrung wurde von McKinsey gestrichen. Schön das am Kurzzeitparkplatz drei Leute in den Kassenhäuschen sitzen (es waren vermutlich 20 Autos auf dem Parkplatz).

Also mit dem ganzen Flohzirkus im Bus zurück zum Flughafen. Ja, Taxi ginge auch, aber wer will schon von Sherpas auf den Mt. Everest getragen werden? Die Fahrt war sehr neufundländisch: Man muß dreimal umsteigen, der nächste Halt wird weder angezeigt, noch ausgerufen und an den Stationen gibt es keine Beschilderung. Ach ja, man braucht eine Überweisung von einem Bus zum nächsten:

Der geneigte Reisende ist somit völlig hilflos. Genau das – hilflos – ist man in Neufundland öfter als sonstwo in Kanada. Das Navi kennt mit etwas Glück den Ort, aber sicher nicht die Straße zu der du willst. Hier kommt dann der Aborigine ins Spiel. Denn auch wenn man es nicht immer versteht, sind die Leute extrem freundlich und hilfsbereit: Natürlich hat mich der Busfahrer an die Hand genommen und zum nächsten Bus gebracht und seinem Kollegen gesagt er soll bei Verspätung den nächsten Bus anfunken!

Ein boshafter Mensch würde anmerken, dass die Neufundländer so hilfbereit sein müssen. Sonst wäre das Land übersäht von den verblichenen Knochen verirrter Touristen. Aber ich bin ja nicht boshaft…

In diesem Geiste sind zum heutigen 16. Jahrestag hunderte Menschen aus dem Reich des Bösen in Neufundland eingefallen. Damals sind hier 39 Flugzeuge mit 6.500 Passagieren gestrandet:

Das ist der Flughafen der Metropole Gander (11.000 Einwohner). Die Aborigines haben diese Leute dann irgendwie in der Stadt untergebracht. Auch das entspricht der Mentalität hier: Es ist nicht so einfach, also müssen wir sehen, wie wir das hinbekommen. Wären damals nicht auch Amerikaner an Bord der Maschinen gewesen, gäbe es kein Musical mit dem Titel: „Come from away.“

Die Bezeichnung des Touris oder Ausländer gibt es hier nämlich nicht. Es wird auch nicht zwischen Besuchern aus Ontario, Deutschland oder dem Reich des Bösen unterschieden. Für die Neufundländer sind wir alle „from away“.

8 Kommentare bei „Come from away“

  1. …komm mal runter! Bitte ganz locker das Kite-Equipment auspacken, Rucksack druff – und mit mächtigen Rückenwind mit den Ausläufern eines ehemaligen Hurris über den Atlantik machen!!!

    1. welches Kite-Eqipment?

      1. Haste den Kram verkauft?

          1. Ich dachte die haben Dir den Ķram nachgesandt!

          2. Dazu hätten sie wissen müssen wann ich mich wo befinde. Da ich das zu dem Zeitpunkt selbst nicht wusste hätte das erhebliche hellseherische Fähigkeiten erfordert. Also dürfen sich meine Eltern damit vergnügen…

  2. Bitte zeige mir den ÖPNV, der nicht von Nerds für Nerds gemacht wurde.

    1. Och, der in St. Johns ist einfach nur sehr klein. So komische Dinge wie ich macht dort niemand. Schließlich hat ja jeder ein Auto!

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